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Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung – das EU-Dossier als Störfaktor

Am Sonntag, den 9. Juni 2024, stimmt das Schweizer Volk über das Bundesgesetz für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien ab. Die Vorlage soll ermöglichen, dass rasch mehr Strom aus erneuerbaren Energiequellen wie Wasser, Sonne, Wind oder Biomasse erzeugt werden kann. Zu diesem Zweck sollen unter anderem die Planungsbedingungen für 16 Wasserkraftwerke sowie für Windkraft- und grosse Solarenergieanlagen vereinfacht werden. Eine zweite Vorlage, die den Beschleunigungserlass betrifft und derzeit im Parlament hängig ist, sieht eine Vereinfachung und Verkürzung der Bewilligungs- und Rechtsmittelverfahren für grosse, aus erneuerbaren Energiequellen betriebene, Kraftwerke vor. Vergessen geht jedoch, dass die Verhandlungen mit der EU unweigerlich zur Einführung von zusätzlichen, zeitaufwändigen, Verfahren führen werden.

Wie allgemein bekannt ist, führen die Delegationen der Schweiz und der EU seit dem März dieses Jahres formelle Verhandlungen über ein Paket von Abkommen zur Stabilisierung und Weiterentwicklung des bilateralen Weges. Teil des Pakets ist das Stromabkommen. Dieses sieht unter anderem vor, dass die Schweiz im Strombereich ein System zur Überwachung staatlicher Beihilfen einführen soll. Die Überwachung staatlicher Beihilfen ist für die Kraftwerke, die vom neuen Gesetz für eine sichere Energieversorgung betroffen sind, von grosser praktischer Bedeutung. Sie ist grundsätzlich geeignet, sämtliche Investitionsbeiträge und weiteren Finanzhilfen vom Bund und den Kantonen an den Bau und Ausbau von solchen Kraftwerken zu erfassen.

Aufschiebende Wirkung

Das künftige Verfahren ist so ausgestaltet, dass eine unabhängige Verwaltungsbehörde Investitionsbeiträge und andere staatliche Beihilfen vor deren Gewährung überprüfen soll. Hat die Behörde Bedenken, kann sie den Fall einem Gericht vorlegen, das sodann die Zulässigkeit der staatlichen Beihilfen verbindlich beurteilt. Wichtig ist, dass das Verfahren aufschiebende Wirkung haben soll, wie die Delegationen der Schweiz und der EU in ihrem «Common Understanding» vom 27. Oktober 2023 festgehalten haben. Dies kann im schlimmsten Fall bedeuten, dass die Auszahlung einer Finanzhilfe und damit der Bau einer neuen Anlage um mehrere Jahre verzögert wird. In der EU sind mehrjährige Verfahren in beihilferechtlichen Angelegenheiten keine Seltenheit.

Neue Rechtsschutzmöglichkeiten im Bereich des Umweltrechts

Es ist auch gut möglich, dass die Schweiz verbunden mit der Einführung einer Kontrolle staatlicher Beihilfen zusätzliche Rechtsschutzmöglichkeiten im Bereich des Umweltschutzes schaffen muss. In der EU will die Europäische Kommission bis 2025 ein neues Verfahren einführen, in dem Betroffene eine Verletzung von Umweltrecht durch beihilferechtliche Beschlüsse rügen können. Dies soll gewährleisten, dass die EU ihren Verpflichtungen gemäss dem internationalen Übereinkommen von Aarhus nachkommen kann. Das Übereinkommen regelt den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten.

Es ist nicht auszuschliessen, dass das Stromabkommen die Schweiz verpflichten wird, ähnliche Rechtsschutzmöglichkeiten zu gewährleisten, was wiederum Auswirkungen auf die Dauer der Bewilligungsverfahren für Kraftwerke haben könnte.

Lösungsansätze

Wenn der Bundesrat und das Parlament es ernst meinen mit dem raschen Ausbau der Stromkapazitäten aus erneuerbaren Energien, sollten sie darauf achten, dass die Einführung einer Kontrolle von staatlichen Beihilfen im Strombereich dem nicht zuwiderläuft. Es sollte geprüft werden, wie die beihilferechtlichen Verfahren in Übereinstimmung mit dem Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien vereinfacht werden können. Im Beschleunigungserlass sollte klargestellt werden, dass die dort vorgesehen Bestimmungen einschliesslich der Begrenzung der Verfahrensdauer auf eine Höchstdauer von 180 Tagen auch für beihilferechtliche Verfahren gelten sollen.