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Die EU gibt sich neue Regeln gegen wettbewerbsverzerrende Subventionen von Drittstaaten – wer sollte sich jetzt Sorgen machen?

Die EU will bekanntlich ihr Abwehrdispositiv gegen unerwünschte Subventionen und andere staatliche Beihilfen von Nicht-EU-Staaten ausbauen. Das Europaparlament und der Rat der EU haben sich im Grundsatz auf eine Verordnung geeignet, die sich gegen drittstaatliche, den EU-Binnenmarkt verzerrende Subventionen richtet. Der Verordnungstext, von dem derzeit eine noch zu bereinigende Kompromissfassung vorliegt, wird voraussichtlich in naher Zukunft formell verabschiedet werden.

Die Verordnung gibt der Europäischen Kommission neue Befugnisse zur Durchführung einer Untersuchung, wenn ein Unternehmen, das an einem Unternehmenskauf oder einem anderen Unternehmenszusammenschluss beteiligt ist, durch drittstaatliche Subventionen bevorteilt wird und sich dies nachteilig auf den EU-Binnenmarkt auswirken könnte. Die Kommission kann ferner tätig werden, wenn der Bieterwettbewerb in einer öffentlichen Ausschreibung durch eine drittstaatliche Subvention verfälscht wird. Sie kann darüber hinaus in allen anderen Fallgestaltungen eingreifen, in denen aufgrund einer drittstaatlichen Subvention der Binnenmarkt maßgeblich verzerrt wird.

Der Begriff der Subvention wird weit verstanden. Er umfasst nebst Zuwendungen eine große Bandbreite von begünstigenden Maßnahmen einschließlich Darlehen, Bürgschaften, steuerlichen Anreizen, Schulderlassen, Steuervergünstigungen, der Gewährung von Vorteilen zu nicht-marktgerechten Bedingungen und weiteren begünstigenden Maßnahmen.

Die Kommission kann entweder aufgrund einer Anmeldung oder von Amts wegen tätig werden. Die Verordnung sieht diesbezüglich eine Reihe Kriterien vor, die die anmeldepflichtigen von den nicht anmeldepflichtigen Vorhaben abgrenzen sollen und die zu diesem Zweck auf bekannte Regelungsmuster aus der EU-Fusionskontrolle, dem Beihilfenrecht und dem Außenhandelsrecht zurückgreifen.

Anmeldepflicht im Zusammenhang mit Unternehmenszusammenschlüssen

Ein Unternehmenszusammenschluss – sei es entweder in Gestalt einer Fusion, dem Erwerb der Kontrolle an einem Unternehmen oder der Gründung eines vollfunktionsfähigen Gemeinschaftsunternehmens (Joint Venture) – muss angemeldet werden, wenn bestimmte Schwellenwerte hinsichtlich der betroffenen Umsätze und der Höhe der Subvention erreicht werden.

  • Erforderlich ist erstens, dass zumindest eines der beteiligten Unternehmen in der EU niedergelassen ist und dort einen Umsatz von € 500 Mio. oder mehr erzielt. Liegt ein Unternehmenskauf vor, muss das Zielunternehmen in der EU niedergelassen sein und dort die Umsatzschwelle von € 500 Mio. erreichen. Geht es schließlich um die Gründung eines Joint Venture, muss dieses in der EU niedergelassen sein und dort die erwähnte Umsatzschwelle erreichen.
  • Zweitens müssen die Subventionen, die alle beteiligten Unternehmen in den letzten drei Geschäftsjahren von Nicht-EU-Staaten erhalten haben, einen Gesamtbetrag von über € 50 Mio. ausmachen.

Unternehmenszusammenschlüsse, die diese Kriterien erfüllen, müssen vor ihrem Vollzug bei der Europäischen Kommission angemeldet werden. Die Kommission muss grundsätzlich innerhalb von 25 Arbeitstagen nach Eingang der vollständigen Anmeldung entscheiden, ob Anlass für eine vertiefte Prüfung besteht. Wird eine vertiefte Prüfung eröffnet, sollte diese grundsätzlich innerhalb von weiteren 90 Arbeitstagen abgeschlossen werden.

Wenn die Kommission zum Ergebnis kommt, dass die betroffene Transaktion nachteilige, nicht zu rechtfertigende, Auswirkungen auf den Binnenmarkt hat, kann sie diese entweder untersagen oder sie kann eine Genehmigung von der Einhaltung von Auflagen und Bedingungen abhängig machen.

Anmeldepflicht im Zusammenhang mit öffentlichen Ausschreibungen (Vergabeverfahren)

Subventionen, die von Nicht-EU-Staaten an Bieter in öffentlichen Ausschreibungen in der EU gewährt werden, müssen angemeldet werden, wenn

  • erstens der geschätzte Auftragswert einen Betrag von € 250 Mio. oder mehr ausmacht und
  • zweitens der Bieter gemeinsam mit den mit ihm verbundenen Unternehmen und gegebenenfalls den wesentlichen Subunternehmern und Zulieferern, die am Angebot beteiligt sind, in den letzten drei Geschäftsjahren vom selben Nicht-EU-Staat Subventionen in Höhe von insgesamt € 4 Mio. oder mehr erhalten hat.

(Wenn der Auftrag in mehrere Lose aufgeteilt wird, kommen abweichende Regeln zur Anwendung.)

Subventionen, die diese Kriterien erfüllen, müssen vom Bieter der Stelle gemeldet werden, die die öffentliche Ausschreibung durchführt. Wenn der Bieter der Auffassung ist, dass die genannten Kriterien nicht erfüllt sind, muss er dennoch die durch Nicht-EU-Staaten gewährte Subventionen auflisten und gegenüber der ausschreibenden Stelle deklarieren.

Die ausschreibende Stelle übermittelt die Anmeldung oder die Deklaration an die Europäische Kommission. Die Kommission muss grundsätzlich innerhalb von 20 Arbeitstagen nach Eingang der kompletten Anmeldung entscheiden, ob eine Subvention vorliegt, die Anlass zu Bedenken gibt. Ist dies der Fall, kann sie eine vertiefte Untersuchung durchführen, die grundsätzlich spätestens 110 Arbeitstage nach Eingang der Anmeldung abgeschlossen werden sollte.

Wenn die Kommission zum Ergebnis kommt, dass die fragliche Subvention nachteilige, nicht zu rechtfertigende, Auswirkungen auf den Binnenmarkt hat, kann sie entweder die Vergabe des Auftrags an den betroffenen Bieter untersagen oder sie kann eine Vergabe von der Einhaltung von Auflagen und Bedingungen abhängig machen.

Einzelfallweise angeordnete Anmeldepflicht

Selbst wenn kein anmeldepflichtiger Unternehmenszusammenschluss oder eine anmeldepflichtige Subvention in Zusammenhang mit einer öffentlichen Ausschreibung vorliegt, kann die Kommission eine Anmeldung verlangen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass in den letzten drei Jahren relevante Subventionen durch Nicht-EU-Staaten gewährt wurden, und die zu erwartenden nachteiligen Auswirkungen des Zusammenschlusses bzw. der Auftragsvergabe auf den Binnenmarkt eine Anmeldepflicht rechtfertigen. Die Kommission kann eine Anmeldung verlangen, solange der Zusammenschluss noch nicht vollzogen worden ist bzw. noch kein Zuschlag für den Auftrag erfolgt ist.

Überprüfung von nicht anmeldepflichtigen Vorhaben

Außerhalb der Fallgruppen, für die eine Anmeldepflicht gilt, kann die Kommission von Amts wegen tätig werden. Dies betrifft alle übrigen Fälle, in denen ein Nicht-EU Staat einem in der EU tätigen Unternehmen eine selektive Subvention im Sinn der Verordnung gewährt und dadurch der Binnenmarkt verzerrt wird. So kann die Kommission z.B. tätig werden, wenn ein Nicht-EU-Staat einem Unternehmen eine hinsichtlich des Betrags oder der Dauer unbegrenzte Garantie gewährt und das betreffende Unternehmen beim Tätigwerden in der EU gegenüber seinen Wettbewerbern bevorteilt wird. Sie kann jedoch auch bereits vollzogene Unternehmenszusammenschlüsse oder vergebene öffentliche Aufträge nachträglich aufgreifen, wenn sie der Meinung ist, dass der EU-Binnenmarkt in wesentlicher Weise verzerrt worden ist.

Die Verordnung sieht vor, dass die Kommission zunächst eine Vorabklärung durchführt, wenn sie der Auffassung ist, dass eine im Sinn der Verordnung kritische Subvention vorliegen könnte. Kommt sie zum Schluss, dass ausreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen einer möglicherweise den Binnenmarkt verzerrenden Subvention bestehen, kann sie sodann eine vertiefte Untersuchung eröffnen. Bestätigt diese Untersuchung die Bedenken der Kommission, kann diese durch Beschluss Abhilfemaßnahmen anordnen. Bieten die Unternehmen Zusagen an, um die von der Kommission geäußerten Bedenken auszuräumen, können diese Zusagen durch Beschluss verbindlich erklärt werden. Die Kommission sollte die vertiefte Untersuchung möglichst nach 18 Monaten abschließen.

Bagatellfälle

Eine Subvention muss in der Regel einen Betrag von über € 4 Mio., gerechnet über einen Zeitraum von drei Jahren, ausmachen, damit sie als bedenklich im Sinn der Verordnung gelten kann. Im Übrigen gilt die aus dem EU-Beihilferecht bekannte allgemeine Bagatellschwelle. Eine durch einen Nicht-EU-Staat gewährte Subvention ist folglich „de minimis“, wenn sie über einen Zeitraum von drei Geschäftsjahren zusammen mit etwaigen anderen, im selben Zeitraum gewährten Subventionen, einen Gesamtbetrag von nicht mehr als € 200.000 ausmacht.

Rückwirkung

Die Verordnung gegen drittstaatliche, den EU-Binnenmarkt verzerrende Subventionen muss, wie erwähnt, noch formell vom Europaparlament und dem Rat verabschiedet werden. Sie wird daraufhin im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden und wird nach weiteren 20 Tagen in Kraft treten. Sie wird voraussichtlich sechs Monate nach Inkrafttreten anwendbar werden, wobei die Anmeldepflichten erst neun Monate nach Inkrafttreten greifen werden.

Die Verordnung entfaltet teilweise rückwirkende Wirkung von drei bis fünf Jahren auf bereits gewährte Subventionen, wobei zwischen mehreren ausgeklügelten Szenarien unterschieden wird, die hier nicht im Einzelnen wiedergegeben werden können.

Kein Artenschutz für die USA, die Schweiz oder andere „Best Friends“

Während der Beratungen über den Verordnungsentwurf wurde ausführlich darüber spekuliert, gegen wen sich die Verordnung richten wird. Politisch steht außer Zweifel, dass sich die Verordnung zuallererst gegen China und die Expansionsbestrebungen von staatlich kontrollierten oder beeinflussten Unternehmen aus China richten soll. Doch bedeutet dies nicht, dass für alle anderen Nicht-EU-Staaten Entwarnung gegeben werden kann. Die Verordnung betrifft grundsätzlich jede drittstaatliche Subvention, die geeignet ist, den EU-Binnenmarkt zu verzerren, unabhängig davon, durch welchen Drittstaat sie gewährt wird. Selbst wenn sich die Kommission auf China und möglicherweise andere Länder mit einer starken Verflechtung zwischen Staat und Wirtschaft fokussieren möchte, wird sie nur eingeschränkt Prioritäten setzen können. Sie wird ihr Hauptaugenmerk darauf richten müssen, all die Unternehmenszusammenschlüsse und öffentliche Aufträge abzuarbeiten, die bei ihr angemeldet werden. Diese können ganz unterschiedliche Wirtschaftssektoren und Nicht-EU-Staaten betreffen. Es gibt auch keinen Artenschutz für bestimmte Länder. Gerade Länder, die mit der EU politisch und wirtschaftlich eng zusammenarbeiten, wie etwa die USA und die Schweiz, könnten in dieser Hinsicht unschöne Überraschungen erleben.